Michel Roth, vom Ritz zum President Wilson, in Genf

Michel Roth, vom Ritz zum President Wilson, in Genf

Der ehemalige Star des Ritz, der Vorsitzende der Vereinigung Bocuse d’Or Winners, hat seine Zelte nun in Genf aufgeschlagen. Mit Les vergers Boiron spricht er über seine Arbeitsweise und seine Inspirationsquellen.
Im President Wilson, dem Restaurant eines der luxuriösesten Hotels der Welt am Ufer des Genfer Sees, hat Michel Roth nun seit zwei Jahren das Sagen. Für ihn ist dieses Haus eine Herzenssache, er liebt die familiäre Atmosphäre, selbst bei der Arbeit.
Auf dem Sternekoch, der bis vor zwei Jahren noch in den Küchen des Ritz regierte, liegt eine große Verantwortung, denn er soll dem gastronomischen Ansehen des Palastes neuen Glanz verleihen. In einer Stadt, in der es nicht gerade wenige große Hotels und Paläste gibt, soll die exquisite Küche des President Wilson den Unterschied machen. Diese Aufgabe ist zum Teil geschafft: Ein Jahr nach Michel Roths Ankunft hat das Haus im letzten Jahr seinen ersten Michelin-Stern bekommen.

„Wir verarbeiten lokale Erzeugnisse, und ich bringe meine Persönlichkeit ein. Frisch gefangene Barsche und Felchen aus dem Genfer See, oder die traditionelle Longeole (Wurstspezialität aus Genf). Wir beziehen aber auch Spitzenprodukte von überall, so die Seeohren aus Plougastel, die wir blitzgegart servieren. Und natürlich wird die Seezunge, die ich 1991 für die Bocuse d’Or machte, weiterhin angeboten, aber in Abwandlungen.“

Eine Schlüsselerfahrung für einen Sternekoch.
„Die Bocuse d’Or sind unsere Weltmeisterschaften. Man wird aus einer großen Anzahl von Bewerbern ausgewählt, um sein Land zu vertreten. Man steht unter einem enormen Druck! Ich erinnere mich noch sehr gut an den Moment, als ich auf dem obersten Treppchen stand und die Marseillaise erklang…“
Seit fünf Jahren ist Michel Roth Vorsitzender der Bocuse d’Or Winners, der Vereinigung der Sieger der Bocuse d’Or, die Les vergers Boiron seit der ersten Stunde unterstützt. Unter seinen beeindruckenden Auszeichnungen (Meilleur apprenti de France 1977, Prix Taittinger 1985, Prix Escoffier 1986, Meilleur Ouvrier de France 1991, usw.), sind es gerade diese Meisterschaften, die bei ihm einen Ehrenplatz haben.

Dank der verschiedenen Restaurants des President Wilson spielt Michel Roth mit den Nationalitäten und den Grenzen. „Im Arabesque bieten wir eine traditionelle libanesische Küche an und im Umami eine asiatische. Es ist das Resultat meiner Reisen und der Verschwisterung des Westens mit Asien. Und wie jeder Sternekoch liebe ich es, dem Gast meine Küche vorzustellen. Ich gehe auf meine internationalen Gäste ein und kann bestimmte Rezepte erheblich abwandeln, wenn ich ihren Ratschlägen folge“.

Eigentlich ein weiter Weg für den gebürtigen Lothringer, der auf seine Wurzeln sehr stolz ist. „Ich kehre regelmäßig in meine Heimat zurück. Hier finde ich die Inspiration, und die Region liegt mir sehr am Herzen, denn hier fing alles an“. Das ist ein Bezug auf das Auberge de l’Ill in der Nähe von Colmar und das Crocodile in Straßburg, wo Michel Roth das Handwerk erlernte. Aber mit der „Palastküche“, wie er es selbst zu sagen pflegt, mit der kam er bei Guy Legay in Berührung, dem legendären Küchenchef des Ledoyen und des Espadon, dem Restaurant des Hotels Ritz in Paris. Michel Roth stieß 1981 als Premier Commis zur Brigade. „Guy Legay brachte mir die Technik und den hohen Anspruch dieser Küche bei, den respektvollen Umgang mit den Produkten und das „Maßgeschneiderte“ für die Gäste. Mit ihm wurde mir klar, dass man sich gleichzeitig in der Tradition und in der Moderne platzieren konnte.“ In dreißig Jahren im Ritz, davon zwölf als Directeur des cuisines, konnte Michel Roth seinen Taschenkrebs an Selleriecreme, Wodka und roten Zwiebeln, seine Raviole vom Charolais-Rind, seinen Tartar von Jakobsmuschel, Auster und Kaviar, sein Rinderfilet Hereford auf Rossini-Art, das Püree von Ratte-Kartoffel als Cappuccino, seine Cremeschnitte in Ritz-Tradition, oder das Kramelleis auf den Rang der Signaturen heben. Wir unterbrechen ihn und fragen ihn, was er besonders gern mag, wenn er zu Hause speist. Nach einer kurzen Sekunde sagt er: „Suppen und Kraftbrühen, vor allem vom Rind!“

Als er 2012 seine Koffer im President Wilson abstellt, zusammen mit neun Mitgliedern seiner Brigade, darunter seine treuen Leutnante Laurent Wozniak, Franck Meyer und Didier Steudler, bringt Michel Roth auch ein Stück Ritz-Geschichte mit. Ist das Abenteuer seines Lebens damit beendet? „Ich werde als Botschafter, aber nicht mehr als Directeur des cuisines weitermachen. Ich habe ein Consultingunternehmen eröffnet und habe viele laufende Projekte, und es sind weitere geplant, in Genf natürlich, aber auch in Paris…“ Im letzten Jahr hat Michel Roth in der Tat die Menüs für die First Class von Air France zusammengestellt, war bei Masterchef auf TF1 zu sehen, und in „Royal Dinner“ auf Arte. Davon wird Ende des Jahres die zweite Staffel ausgestrahlt.

Mit all diesen Aktivitäten hat Michel Roth einen sehr guten Blick auf die Tendenzen, die die aktuelle Gastronomie bestimmen. „Die Küche von heute ist klarer, reiner, die Geschmäcker sind konzentrierter, intensiver.“ Er selbst arbeitet ausgiebig an Saucen, Vinaigretten, Emulsionen und an der „Inszenierung“. „Das ist das Erste, was die Gäste sehen. Sie müssen den Eindruck haben, ein spezielles und nur für Sie angefertigtes Gemälde vor sich zu haben.“ Auf unsere Frage, ob er den Chefs, die ihm gerne nacheifern würden, drei Ratschläge mitgeben könnte, antwortet er: „Erstens, die Kochkunst und die Produkte leidenschaftlich lieben. Zweitens, konstant sein und sich jeden Tag in Frage stellen, neugierig und offen bleiben. Und Drittens, immer alles systematisch kosten!“